Als die Liebe tanzen lernte
In der heutigen Generation der Raver ist sie schon fast vergessen, die Loveparade. Im Grunde war die Loveparade ein Straßenzug im Sinne einer friedlichen Demonstration zu politisch kritischen Themen unterlegt mit elektronischer Musik. Tanzen in der Öffentlichkeit statt Demonstrationen mit Schildern und Megafonen. Da für 2021 von Dr. Motte eine erneute Parade in Berlin angemeldet wurde und das Projekt „Rave the Planet“ auf Hochtouren läuft haben wir uns die Loveparade mal etwas genauer angeschaut.
Tapes | Acid Party | Kleinbusse
Mit 3 Kleinbussen startete 1989 „Friede Freude Eierkuchen“ in Berlin. Mit knapp 150 Gästen zogen die Busse durch die Straßen. Thematik des Protestzuges: Frieden, Abrüstung, Gerechte Nahrungsverteilung und Musik als neues Kommunikationsmittel. Hintergrund war es nicht gegen etwas zu demonstrieren, sondern sich für etwas auszusprechen und dies kundzugeben.
Musikalisch wurden damals aufgenommene Tapes von Westbam, Dr. Motte, Pit Paul und Johnson über Boxen in den Bussen gespielt. Während die Parade mit dutzenden Leuten startete wuchs die Beteiligung im Laufe der Parade auf ca. 150 Personen und sorgte für gemischte Gefühle. Einigen waren empört über laute Musik und junge Menschen, die mit ihr umherzogen, wohingegen sich im Laufe der Parade einige mit anschlossen.
Eine Ableitung der Parade erfolgte durch ein Szenario aus England. Sogenannte „Acid Partys“ wurden dort vermehrt durch die Beschlagnahmung der Anlage aufgelöst. Die Folge dessen, weiterfeiern auf der Straße mit dem Gettoblaster.
Friede, Freude, Eierkuchen. Ein Protestzug 1989 im Regen. Die Geburtsstunde
des open Air Rave:
Zeitenwende| Mauerfall | The Future
Die zweite Loveparade wurde zur Spielwiese der Vereinigung von Ost- und Westberlin. Mit dem Mauerfall zeigte sich, dass beiderseitig ein großes Interesse an der elektronischen Musik bestand und dies auch gelebt wurde. Die Vereinigung der DDR und der BRD führte somit auch in der elektronischen Szene zu einer großen Zusammenkunft. Urplötzlich lernten sich noch mehr Technofanatiker kennen und feierten in den Clubs bis in den Morgengrau ihre neugewonnene Freiheit.
Dies spiegelte sich auch in der Veranstaltung der zweiten Loveparade wieder. Die Besucherzahlen schossen hoch auf 2.000 Gäste. Unter dem Motto „The future is ours“ feierten Ost- und Westberlin eine Vereinigung.
Summer of love | Sky ist the limit | Music ist the key
Der Höhepunkt der Loveparade: „Music ist the key“ 1999. 1,5mio Menschen aus verschiedensten Nationen besuchten in diesem Sommer die Loveparade. Schon in der Woche vor der Loveparade begann die Stadt zu pulsieren. Die Nacht vor der Parade war gefüllt voller kleiner Partys, am Morgen der Veranstaltung tanzten bereits die bunt gekleideten Raver durch die Stadt, in Kiosken und Spätis lief der gleiche Radiosender und es wurde gemeinsam gefeiert.
Die Entwicklung der Loveparade forderte im Laufe der Zeit durch die steigende Zahl der Gäste innovative Ideen um mit der Menschenmenge innerhalb einer Stadt zurechtzukommen. Über eine Bettenbörse konnten sich damalige Raver noch am Tag der Veranstaltung Zimmer in allen Preissegmenten mieten, Tiefgaragen wurden zu Gepäckstationen umfunktioniert und die Sanitäter entwarfen ein eigenes Orientierungssystem, um sich zurecht zu finden.
Trotz der unglaublichen Veranstaltung, den tollen Bildern und Erinnerungen war „Music ist the key“ vermutlich der unbeschwerteste Höhepunkt der Loveparade. Neben den Beschwerden bezüglich des anfallenden Abfalls und den Hinterlassenschaften der Besucher kam es zu einem Todesfall während der Parade. Bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei Herren wurde ein Messer gezückt, ein Schlichter wurde verletzt und verstarb anschließend. Für den Sohn des Verstorbenen wurde von den Veranstaltern eine Versicherung abgeschlossen.
Müll | Gestank | Inhaltslos
Neben dem Erfolg der Loveparade gab es natürlich auch den Widerstand. Mit Zunahme der Besucherzahlen wurde der Planungsaufwand erheblich größer und vieles blieb bis Dato unbeachtet. So zeigte sich das durch die Menge der Besucher in Kombination mit den Aufenthaltszeiten vor und nach der Parade für ordentlich Müll sorgten. Viele der Besucher reisten einige Tage zuvor an, um zu feiern und ganz vorne dabei zu sein beim Start der Parade. Geschlafen wurde überall, im Park, im Auto auf den Parkplätzen. Die Folge des Aufenthaltes waren urinierende Raver in der Stadt. Gerade der folge Tag der Parade sorgte verstärkt für Umweltverschmutzung und Gestank in der Stadt, da nicht für ausreichend Toiletten gesorgt war.
Die Frage der Kostenübernahme für die Entsorgung wurde in den vorherigen Veranstaltungen von der Stadt getragen, da es sich um eine Demonstration handelte. Kritiker gelangte es jedoch der Loveparade den Sinn der Demonstration abzuerkennen, dies sorgte für eine Verzögerung der Loveparade, und die Kosten der Reinigung mussten von den Veranstaltern übernommen werden. Auch das Grünflächenamt klagte über die Zerstörung der Vegetation.
Zusammen mit den Problemen der Müllbekämpfung, Vandalismus des Straßeninterieurs und der Umweltverschmutzung konnten Kritiker die Aberkennung der Parade als Demonstration erreichen. Der Vorwurf: „Inhaltslos & sexistisch“. Zur Folge wurde die Veranstaltung durch Unmengen neuer Kosten in Richtung Kommerzialisierung und Profitgier getrieben. Der Punkt an dem Urvater Dr. Motte die Veranstaltung der verlässt.
Good bye Berlin | Kommerzialisierung | Fuckparade
Die Folgen der Aberkennung der Parade als Demonstration war einerseits der Auszug aus Berlin und das Einbringen von Investoren in Planung und Gestaltung der Loveparade. Nach einer Pause übernahm ein Fitnessstudiobetreiber die Veranstaltung. Mit ihm reiste die Parade 4 Jahre durch Deutschland. Bis zum tragischen Ende in Duisburg 2010.
Bereits Ende der 90er entstand eine Gegenbewegung zur Loveparade. Die Fuckparade, welche heute noch gefeiert wird. Ursprung der Fuckparade, war die Verdrängung nicht erwünschter Musikstile wie Hardcore, Techno und Gabber, sowie die zunehmende Kommerzialisierung der Loveparade.
Planungsfehler | Warnungen | Duisburg
Das tragische Ende der Loveparade war die Folge schlechter Organisierung und der Ignoranz gegenüber den Kritikern im Planungskomitee. An diesem Tag kam es zu einer Verkettung vieler Probleme, welche schlussendlich zu dieser Tragödie führten.
Das Hauptproblem war der Zufluss des Veranstaltungsgeländes. Die Parade fand auf einem stillgelegten Bahnhof statt. Dort kreiste die „Float“, die Trucks, um das Bahnhofsgebäude. Zu erreichen war der Bahnhof über einen Tunnel, welcher von beiden Seiten als Eingang für das Partyvolk vorgesehen war. Mittig im Tunnel führte eine Rampe auf das Veranstaltungsgelände. Breits in der Planung wurde dies kritisiert und betont, dass beide Tunneleingänge, welche über die Rampe auf das Gelände führen, nicht gleichzeitig den Ausgang der Veranstaltung gestalten können. Diese Warnung wurde jedoch ignoriert und die Veranstaltung genehmigt. Weiterhin wurden die Menschenmengen, noch vor dem Betreten des Tunnels, in Zäunen durch die Stadt geschleust. Dies führte bereits vor der großen Tragödie zu viel Panik, Druck in den Menschenmengen und ersten Verletzten.
Während sich im Laufe des Tages die Menschenmengen ansammelten, um auf das Veranstaltungsgelände zu kommen, ergab sich die nächste Problematik. Die Verständigung zwischen Polizei, Security und Sanitäter fiel im Laufe des Tages aus, da die Funknetze überlastet waren. Eine Bevorrechtigung für das Mobilfunknetz wurde für diesen Tag nicht beantragt.
Am Mittag der Veranstaltung versuchte die Polizei über Ketten im Tunnel den Zufluss auf dem Gelände zu stoppen, welches zu dem Zeitpunkt alles andere als voll war. Die Folge die Polizeikette wurde von der Menschenmenge aufgelöst und der Besucherstrom drückte sich bis zum Ende Rampe hoch wo es dann stockte, weil die Float beschaut wurde. An dieser Stelle hätten „Pusher“ stehen müssen, welche die Menschenmenge dazu auffordern weiterzugehen, um einen Rückstau zu verhindern, diese waren jedoch nicht vorhanden. Zu diesem Zeitpunkt sind der Tunnel und die Rampe voll mit Menschen. Das Drücken begann, einige wollten vor andere zurück und einen Ausweg gab es nicht. Einige versuchten sich an den Tunneleingängen über kleine Treppen zu retten, doch die Panik war an diesem Zeitpunkt nicht mehr aufzuhalten.
Während oben auf dem Gelände gefeiert wurde, war die Situation im Zulauf des Geländes mehr als kritisch. Ordnungskräfte und Sanitäter kämpften sich durch die Menschenmengen und versuchten diese aufzulösen. In der Panik wurde insgesamt 541 Menschen schwer verletzt und 21 Menschen kamen ums Leben.
Aussichten | 2021 | Rave the Planet
2021 soll sie zurückkommen, die Parade der Liebe, zurück nach Berlin. Wir sind sehr gespannt. Bilder und Berichte lassen nur erahnen welch großartige Stimmungen auf der Loveparade geherrscht haben. Vater der Loveparade, Dr. Motte, möchte sie wiederaufleben lassen und obwohl die Tragödie aus Duisburg noch immer in den Köpfen ist, so glauben wir, dass sich die Veranstaltungsbranche insbesondere hinsichtlich der Großveranstaltung in letzten Jahren sich als sehr sicher bewiesen hat und aus Duisburg gelernt hat.
Wir freuen uns darauf, wenn es heißt: Back to the roots, Loveparade Berlin
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